Samstag, 1. Januar 2000

Striptease vorm Bahnübergang

Die Internationale Oberösterreich-Rundfahrt, einer der größten Rundfahrten damals in Österreich, stand am Programm. Die besten österreichischen Fahrer und einige starke Konkurrenten aus dem angrenzenden Ausland, vor allem aus Tschechien und Deutschland, waren gemeldet. Wir hatten mit unserem Boss Werner Müller wieder einmal eine möglichst späte Abfahrtszeit ausverhandelt. Leider kamen wir auf der Westautobahn in einen umfangreichen Stau. 

Wir hatten noch wenige Kilometer zum Startort und begannen gerade zu spekulieren, ob wir es noch rechtzeitig schaffen würden, als vor unserer Nase das Rotlicht zu blinken begann und sich vor uns ein Bahnschranken schloss. Ein kurzer Blickwechsel genügte und alle wussten was zu tun war: blitzartig sprangen wir aus unserem BMW, öffneten den Kofferraum und durchwühlten unsere Taschen nach der Rennadjustierung. Wir rissen uns die Kleider vom Leib, standen für Sekunden wohl splitternackt auf der Straße und schlüpften in die Renndressen. Beim Einsteigen sahen wir noch kurz zurück. Hinter uns stand ein Pkw und darin saß ein altes Ehepaar mit verblüfften Gesichtern und großen Augen J). Als sich der Bahnschranken nach einer gefühlten Ewigkeit wieder öffnete, rasten wir weiter zum Startort.  Chef Werner einfach an den verdutzten Streckenposten vorbei in die Rennstrecke (ca. 1,5 Km Rundstrecke) reingefahren und hat scih mit dem Auto hinter den am Start stehenden Rennfahrern im Außenbereich der Zielkurve neben den Zuschauern eingeqietscht. Dabei spielte er seine Qualitäten als früherer Rallyefahrer voll aus! Es war nur mehr EINE Minute bis zum Start! Wir rissen förmlich die Räder vom Dach, Schmucki reagierte am schnellsten und sicherte sich die Luftpumpe, dann habe ich sie noch an mich gerissen. Da Schmucki der Schnellste war schickte ihn Werner mit den Worten „sag denen, sie sollen auf uns warten“ zum Start. Schmucki konnte sich aber am Ende des Feldes bei dem Trubel nicht richtig verständlich machen und daher wurde unter dem Jubel der Zuschauer bald die Startfahne gehoben. Franz Mitas und ich haben gerade noch das wegrollende Feldende erwischt, Slawek Witkowski hingegen schaffte es nicht mehr und ging mit einer Minusrunde ins Rennen. Wieder einmal hatten wir für Aufregung gesorgt und manche Rennfahrer fragten während des Rennens: „Wo habt´s denn eichare Startnummern…?“
Der Rennleiter zeigte sich nach der Etappe mehr als kulant, nahm uns trotzdem in die Wertung und verhängte lediglich ein Pauschalstrafe für eine Reihe von Verstößen, wie unter anderem Starten ohne Startnummer, Nichtunterschreiben des Startbogens, Nichtteilnahme an der Mannschaftsleitersitzung.  Zur „Erinnerung“ blieb mir nach der Etappe eine Blase an einer Ferse, da ich in der Eile meine Radsocken nicht gefunden hatte und daher ungewohnter Weise ohne in die Radschuhe stieg. 

crossfan Michael Schenk, 9.5.2012